Heute ist Frühaufstehen angesagt, denn das Tragflügelboot nach Irkutsk fährt um 8:20. Um 6:30 wird gefrühstückt und um 7:30 geht es mit dem schon bekannten knallroten Autobus zum Hafen:

Die Abfahrtsstelle des Schiffes ist für Ortsunkundige kaum zu finden. Um zum Pier zu gelangen, muss man vom Parkplatz hinter einem militärisch aussehenden Gebäude mit Mauern und Stacheldraht drumherum vorbeigehen. Es gibt keinerlei Hinweis, dass hier irgendwo ein Schiff ablegt.
Auch am Pier deutet nichts daraufhin, dass hier noch irgendetwas funktioniert und in Verwendung ist:

Der Hafen ist total verwaist, Güterverkehr per Schiff findet schon lange keiner statt. Diese in der DDR gebauten Kräne rosten nun vor sich hin:

Aber schliesslich kommt das Raketa-Tragflügelboot doch pünktlich daher. Ausgangspunkt der Fahrt ist nicht Severobajkalsk, sondern das noch ca. 30 km weiter nördlich gelegene Nischneangarsk.


Zweimal in der Woche von Ende Juni bis Ende August gibt es diese Tragflügelbootverbindung. Mit dem Boot hat man die Möglichkeit, in 12 Stunden Fahrt fast den gesamten Baikalsee abzufahren, die Fahrtstrecke ist immerhin über 600 Kilometer lang. Das verspricht natürlich ein tolles Erlebnis zu werden, auch wenn wir nur 6 Stunden bis zur Insel Olchon mitfahren.
Beim Einsteigen gibt es dann ein rechtes Gedränge, denn nicht alle haben – wie wir – Fahrkarten im vorhinein organisiert. Das ist übrigens ab Severobajkalsk eine schwierige Sache. Fahrkarten gibt es nämlich nur in Irkutsk oder an Bord. Da die meisten Touristen von Irkutsk nach Severobajkalsk und zurück fahren ist das kein Problem, die können die Rückfahrkarte bereits in Irkutsk kaufen.
Alle anderen sind auf freie Plätze am Tag der Fahrt angewiesen. Das war uns zu riskant, deshalb haben wir einen Spezialtrick angewandt: Ein Hotel in Irkutsk kaufte für uns die Fahrkarten in Irkutsk, diese wurden dann dem Kapitän des Schiffes mitgegeben, welches am Vortag von Irkutsk nach Severobajkalsk fuhr. Die Fahrkarten hat dann am Vorabend einer der anderen Campteilnehmer zusammen mit unserem Hotelier beim Schiff abgeholt – allerdings nicht in Severobajkalsk, sondern in Nischneangarsk, denn die beiden haben das Schiff versäumt und sind dann noch mit dem Auto nach Nischneangarsk gedüst. Oliver hat diese Fahrkartenaktion eingefädelt, er kennt da nämlich wen in Irkutsk, und so war auch die Bezahlungsfrage gelöst. Denn die Bezahlung der Fahrkarten konnte ja erst im Nachhinein in Irkutsk erfolgen...
Ausser meinen Leuten und mir, die mit dem Tragflügelboot bis zur Insel Olchon fahren, fahren auch noch die aus Deutschland und der Schweiz kommenden Campteilnehmer mit, allerdings bis Irkutsk. Von dort fahren sie dann mit dem Zug weiter Richtung Heimat. Mir steht allerdings der Grossteil meiner Reise noch bevor.
Im Raketa-Tragflügelboot – „Made in USSR“:

So sieht es innen aus – das Boot ist recht voll und ich weiss nicht, ob alle, die mitwollten, auch mitfahren konnten:

Es gibt auch zwei kleine Aussichtsplattformen, so dass für genügend Fotos gesorgt ist.
Fast wie auf dem Meer:

Wir fahren immer der Westküste entlang, daher ergeben sich tolle Ausblicke auf die umgebenden Landschaft. Zivilisation sucht man hier vergeblich, das Ufer ist grossteils total unberührt, keine Strassen, keine Dörfer:

Ein Regenbogen:


Links vom Boot haben wir immer Ausblick auf den riesigen See...

...rechts ziehen tolle Berglandschaften vorbei.

Nach viereinhalb Stunden Fahrt erspähen wir erstmals die Insel Olchon:

Bis wir anlegen fahren wir noch ein Stück an der Küste der 70 Kilometer langen Insel entlang:

Angelegt wird dann um 14:30 in einer kleinen menschenleeren Bucht. Wir verabschieden uns von den Weiterreisenden und verlassen die „Raketa“. Diesen Ausblick hat man von der Anlegestelle aus:

Letzere ist eine höchst eigenartige Konstruktion. Der Halt der „Raketa“ auf der Insel Olchon wurde erst vor kurzem eingeführt, dafür hat man keinen Anlegesteg bauen wollen, sondern einfach irgendeinen alten Kahn umfunktioniert:

Unklar ist mir allerdings, warum man diese Anlegestelle nicht in der Nähe des Inselhauptortes Chuschir sondern 20 Kilometer südlich davon errichtet hat. Aber so profitieren immerhin die Taxifahrer, die hier mit Kleinbussen auf Kundschaft warten. Viel Kundschaft gibt es heute nicht, ausser uns ist noch eine Person ausgestiegen.
Wir teilen uns auf die zwei bereitstehenden Fahrzeuge auf, dann geht es mit einem Affenzahn über die Schotterstrasse nach Chuschir. Die Fahrt kostet übrigens 100 Rubel pro Person.

In Chuschir gibt es eine recht gute touristische Infrastruktur, was vor allem Nikita Bentscharov zu verdanken ist. Er hat ein kleines Feriendorf aufgebaut und vermittelt Privatzimmer:
http://www.olkhon.info/de/
Der Kleinbusfahrer liefert uns auch gleich dort ab und wir bekommen für drei Tage ein kleines Häuschen vermittelt.
Mit einem Lada Niva bringt man uns zu unserer Unterkunft. Mang glaubt es kaum, aber in dem kleinen Jeep haben 7 Personen (der Fahrer hat noch seinen kleinen Sohn mitgenommen, siehe Bild) und 5 grosse Rucksäcke Platz.

Das ist unser Urlaubsdomizil:

Es ist ein Nebenhaus eines Hauses einer Familie, für die die Vermietung an Touristen eine willkommene Einnahmequelle ist. Apropos Vermietung, wir zahlen 150 Rubel (gut 4 Euro) pro Person und Nacht.
Im Ober- und Untergeschoss befindet sich jeweils ein Zimmer, das Obergeschoss ist über eine steile aussenliegende Stiege zu erreichen. Unten gibt es einen Ofen mit Kochgelegenheit. Die Mädels bekommen natürlich das beheizbare Zimmer.
Das „Badezimmer“ befindet sich im Garten und besteht aus einem Plumpsklo:

Wir machen uns auf den Weg Richtung Ortszentrum:

Wahrzeichen von Chuschir ist der Schamanenfelsen:

Unweit von hier zelten auch ein paar Touristen:

Der Sandstrand von Chuschir:

Es ist zwar ca. 25 Grad warm, aber es geht doch ein bisserl ein Wind, und so verzichten wir auf ein Bad im Baikalsee.
Der Hauptplatz von Chuschir – „Supermarkt“ und Cafe:

In dem Laden kaufen wir noch ein paar Sachen fürs Abendessen ein. Es ist allerdings bei weitem nicht das einzige Geschäft in Chuschir, derer gibt es zumindest fünf, sechs Stück. Es sind aber alles eher kleine Geschäfte, aber das wichtigste bekommt man. Wir schauen auch noch beim Cafe vorbei und essen eine Kleinigkeit. Hier hören wir auch allerhand Touristen aus allen möglichen Ländern, Italiener sind hier, Russen, Chinesen, etc.
Donnerstag 18. August 2005
Nachts war es oben übrigens doch etwas kühl, aber zum Glück hatte ich eine guten Schlafsack.
Heute ist eine kleine Wanderung entlang des Sees Richtung Süden geplant. Davor schauen wir noch zur Tourist-Info, um uns Fahrkarten für den Bus nach Irkutsk am Samstag zu besorgen.
Das ist der Busfahrplan:

Auf dem Weg durch den Ort kommt entdecken wir ein Wohnmobil mit deutschem Kennzeichen – ein junggebliebene Pensionistenehepaar hat sich die Strapazen einer 7000 Kilometer langen Autofahrt angetan:

Ein paar Impressionen unserer Wanderung:










Die Landschaft ist schon sehr beeindruckend und ganz anders als am Nordbaikal.
Die auf einem der Bilder sichtbare Hochspannungsleitung ist übrigens nagelneu, zuvor gab es auf Olchon nur Strom aus einem Dieselaggregat und das nicht während des ganzen Tages.
Der Wachhund bei unserem Haus:

Fürs Abendessen kaufen wir noch schnell Nudeln und eine Tomatensauce ein, denn heute wollen wir unseren Ofen mal zum kochen ausprobieren, was auch ganz gut gelingt.
Den Sonnenuntergang wollen wir uns heute von einem Aussichtspunkt in der Nähe des Schamanenfelsens ansehen.



Dort treffen wir dann auch zwei andere Backpacker und kommen mit ihnen ins Gespräch: Gregory (im Bild rechts vorne) aus Tomsk und Michael (im Bild links vorne) aus Oberösterreich. Gregory hat mal in Wien studiert, von daher kennt er Michael, den er gerade zu einer kleinen Russlandreise eingeladen hat.

Es ist ein lustiges Zusammentreffen und so sitzen wir bis halb zwei Uhr früh zusammen. Witzig find ich dann noch, dass Veronika, die auch aus Oberösterreich kommt, und Michael zufällig in Steyr in die gleiche Schule gegangen sind und sich dann hier auf Olchon beim Schamanenfelsen darüber unterhalten, wen sie alles an Leuten von der Schule kennen...

Freitag 19. August 2005
Heute befolgen wir (also zumindest Doreen, Florian und ich; Veronika und Anja wollen zur Otsküste wandern) den Ratschlag von Gregory und Michael und machen einer der von der Tourist-Info angebotenen Inselrundfahrten mit.

Mit einem UAZ-452 geht es in Richtung Kap Choboi (der nördlichste Punkt der Insel). Die „Strassen“ sind recht abenteuerlich:

Hier unser Gefährt:

Ausser uns sind noch eine dreiköpfige Familie aus Irkutsk, drei Touristen aus Perm (siehe Foto) und drei ältere Damen aus Tschechien oder der Slowakei dabei.

Auf der weiteren Fahrt:


Kurze Pause nahe der kleinen Ortschaft Uzury:


Am Kap Choboi:



Hier gibt es auch ein Mittagessen, unser Fahrer kocht eine Fischsuppe, dazu gibt es Tee.
Als wir dann wieder in Chuschir ankommen, ist es bereits 17:30. Wir setzen uns im Cafe am Hauptplatz hin, wo wir kurze Zeit späte dann Anja und Veronika treffen, die auch einen schönen Tag hatten.
Zum Abendessen wärmen wir uns die übriggebliebenen Nudeln von gestern auf, danach holen wir uns noch etwas Bier und sitzen noch eine Weile am Tisch vor dem Haus zusammen.
Im nächsten Teil geht es per Bus nach Irkutsk, dort gibt es dann auch wieder einiges an Eisenbahn zu sehen!