Während wir vor drei Tagen in Shanghai noch bei schwülen 30 Grad geschwitzt habe, sehen wir heute morgen am Horizont schneebedeckte Berggipfel. Das „Bogdo uul“ heissende Gebirge ist allerdings bis zu 5445 Meter hoch. Wir fahren bei den ersten Sonnenstrahlen südlich daran vorbei:

Die Sonne geht hier recht spät auf, denn wir sind nun schon einige Tausend Kilometer weiter westlich und in ganz China gilt Pekinger Zeit (nicht nur bei der Eisenbahn). Allerdings sind hier in Westchina auch Öffnungszeiten von Geschäften und Büros darauf abgestimmt, d.h. es wird erst um 10 Uhr oder so aufgemacht.
Im Morgenlicht unterwegs nach Urumchi...

...die ersten Sonnenstrahlen kommen hinter dem Gebirge hervor:

China ist ja nicht gerade für eine ökologische Energiepolitik bekannt, umso mehr überraschen uns diese Windkraftanlagen:



Die Sonne lässt sich blicken:


Zug 1043 schlängelt sich durch die hügelige Gegend hinunter nach Urumchi:


Ein entgegenkommender Güterzug:


Die Stadt beginnt recht plötzlich, ohne langgezogene Vororte:

Ein erster Blick auf die Skyline von Urumchi:

Wenige Minuten später fahren wir dann am Bahnhof Urumchi ein:



Wir steigen aus und gehen vor zum Waggon Nr. 16, wo wir Anja, Veronika und unsere Rucksäcke wieder treffen.

Am Bahnsteig:

Wir bahnen uns dem Weg zum Bahnhofsvorplatz. Von dort sieht der Bahnhof so aus:

Auch in Urumchi bleiben wir nicht sehr lange. Noch heute abend, um 23:58, fährt unser Zug nach Alma-Ata in Kasachstan.
Für diese Zugfahrt haben wir sicherheitshalber über Ganesha-Reisen in Wien Fahrkarten bestellt, die wir nun hier in Urumchi abholen müssen.
Vom Reisebüro haben wir einen Voucher, wo die Adresse der Agentur sowie eine Telefonnummer eines Mr. Song Yong draufsteht.
Da aber ein durchschnittlicher Taxifahrer mit lateinischen Buchstaben wahrscheinlich recht wenig anfangen kann, habe ich mir in weiser Voraussicht die Adresse schon in der Jugendherberge in Shanghai ins chinesische übersetzen lassen. Das sieht dann so aus:

Wir müssen also in die North Jie Fang Road 128 zu Xinjiang Comfort Nature Travel International Co. Ltd. und bekommen dann dort die Fahrkarten von einem Herrn Song Yong oder einer Frau Li Xiuling.
Wir zeigen dem Taxifahrer unseren Zettel und er scheint was damit anfangen zu können. Nach einer ca. viertelstündigen Fahrt durch die hochmoderne Stadt sind wir am Ziel – oder zumindest in der Nähe. Denn wir suchen noch ein bisschen nach der richtigen Hausnummer, was aber recht schnell geht, da wir Gebäude mit weniger als 17 Stockwerken ausschliessen können.
Im 17. Stock finden wir dann die Reiseagentur, allerdings ist noch kein Mensch zu sehen. Die Tür ist aber offen, also gehen wir hinein. Wir kommen in ein menschenleeres Grossraumbüro, von dort sehen wir aber, dass in einem Nebenraum doch schon wer arbeitet.
Dem zeigen wir unseren Voucher und er sagt uns (auf englisch), dass wir noch ein bisschen warten müssen, da der, der die Fahrkarten hat, noch nicht da sei.
Also warten wir halt. Wir unterhalten uns ein bisschen mit dem Chinesen, der sich offenbar recht freut sein Englisch auszuprobieren.
Vom Fenster erblicken wir dann ein interessantes Spektakel auf einem Sportplatz zwischen den Hochhäusern:


Ich kann mir darauf keinen Reim machen, aber irgendwann im darauffolgenden Herbst habe ich dann im Fernsehen einen Bericht gesehen, da war die Rede davon, dass in chinesischen Unternehmen jeden ersten Montag im Monat eine spezielle Zeremonie stattfindet. Dabei treten alle Mitarbeiter an, die chinesische Flagge wird gehisst und es werden Lobesreden auf die Unternehmensleitung und die kommunistische Partei gehalten.
So oder so ähnlich habe ich den TV-Bericht in Erinnerung und vermutlich war die von uns in Urumchi beobachtete Zeremonie auch so etwas in der Atz – immerhin war es der erste Montag im September...
Irgendwann gegen 10 Uhr bekommen wir dann unsere Fahrkarte nach Alma-Ata. Interessanterweise ist es eine Fahrkarte (bzw. Bettkarte) für alle vier Personen – so sehen also internationale Fahrkarten der chinesischen Eisenbahn aus:
Der Umschlag – interessanterweise auf chinesisch, russisch und deutsch beschriftet:

Die Bettkarte. Von Urumchi nach Almaty am 5.9. um 23:58 mit Zug N955. Waggon 6, Plätze 5 bis 8. Preis pro Person 18,09 Schweizer Franken, insgesamt 72,53 (die Multiplikation war nicht ganz sauber...) Schweizer Franken.

Die Fahrkarte. 49,81 Franken für eine Person, 199,48 Franken insgesamt:

Tarifbestimmungen auf russisch...

...und auf chinesisch:

Wir müssen nichts mehr bezahlen, weder Franken noch Juan. Bezahlt haben wir die Fahrkarten ja schon bei Ganesha-Reisen in Wien. Das hat allerdings nicht 70 Franken pro Person, sondern 70 Euro gekostet. Aber so viel war uns die Sicherheit wert, nicht hier bin Urumchi zu stranden.
Wir erkundigen uns dann noch ob man uns für den Tag ein günstiges Hotelzimmer organisieren kann. Ist natürlich kein Problem, der Mitarbeiter der Reiseagentur telefoniert kurz und gibt uns dann einen Zettel mit der Adresse eines Hotels, wo wir für 40 Juan pro Person ein Zimmer tagsüber nutzen können. Vor allem die Mädels freuen sich nach zwei Tagen im Hardseater schon auf etwas Komfort und vor allem auf eine Dusche...
Wir fahren mit dem Taxi zum „Alar Hotel“, das sich praktischerweise auch nicht weit vom Bahnhof befindet. Dort ist unsere Ankunft schon vorgemeldet und wir bekommen rasch unser Zimmer.
Frisch geduscht verlassen wir dann gegen halb zwölf das Hotel und beginnen unsere Erkundung der Stadt – vom Hotel haben wir auch einen Stadtplan bekommen, was das ganze etwas erleichtert.
Wir spazieren zuerst einfach so ein bisschen durch die Gassen...

...und setzen uns dann irgendwo zum Essen hin. Dort gibt es praktischerweise eine Speisekarte mit Bildern...
Nachher setzen wir unseren Rundgang vor. Teilweise ist das Flair schon ein bisschen orentalisch. Liegt vielleicht auch daran, dass wir oft arabische Schriftzeichen sehen. Denn hier im Westchina leben die Ujguren und deren Sprache wird mit arabischen Buchstaben geschrieben.

Diese kleinen Technikgeschäfte mit den bunten Schildern finde ich auch irgendwie interessant:

Mit Hilfe des Stadtplanes steuern wir einen Park im Zentrum an. Da wir die chinesischen Schriftzeichen auf dem Plan und auf Strassenschildern nicht lesen können, helfen wir uns bei der Orientierung, indem wir schauen, welche Buslinien uns entgegenkommen. Die Ziffern sind ja “normal“ und die finden wir auch auf dem Stadtplan wieder. So viel zur Positionsbestimmung...
Den Park finden wir auch. Im Park können wir unsere Kenntnisse über chinesische Moral-Regeln auffrischen:

Noch ein lustiges Schild – hier wird der pragmatische Hinweis gegeben, nicht ins Wasser zu fallen:

Aber auch sonst ist der Park interessant. An mehreren Stellen sehen wir Einheimische, die in kleinen Gruppen Musizier- und Gesangsübungen machen:

Zum Abschluss noch ein „normales“ Parkfoto. Eigentlich ein sehr schöner Park.

Vom Park spazieren wir dann weiter Richtung Stadtzentrum. Dabei überqueren wir diese Stadtautobahn, hinter der sich die Skyline auftut:

Hier in Urumchi ist es aufgrund des kontinentalen Klimas auch gar nicht mehr schwül wie in Peking oder Shanghai (schon in Xian war es besser), sondern angenehm trocken und trotzdem warm genug (ca. 25 Grad).
An den Haltestellen der städtischen Busse gibt es sogar Routenpläne der Linien – da kenne ich Städte in Österreich, wo es so was nicht gibt...

Auch das gibt es in Österreich meistens nicht: Kentucky Fried Chicken, hier sogar dreischriftig...

Wir schauen aber nicht zu KFC, sondern sind auf der Suche nach einem Internetcafe. Irgendwie werden wir dann auch fündig. Kurz darauf geht es weiter.
Grosser Platz mit kommunistischem Denkmal:

Wir kaufen noch ein bisschen Obst für die Reise ein:


Auch diese Szene wirkt schon recht orientalisch – nur das „Moscow“-Plasticksackerl passt irgendwie nicht so recht dazu:

Irgendwann fahren wir dann mit dem Taxi zurück zum Hotel. Dort erholen wir uns noch ein bisschen in unserem Zimmer und spazieren nachher zum Bahnhof.
Dort sind wir dann gegen 18 Uhr, also noch sechs Stunden bis zur Abfahrt. Ich schaue mich zuerst ein bisschen auf dem ultramodernen Bahnhof um:






Danach machen wir es uns auf den Stufen vor dem Bahnhof bequem. Immer zumindest einer bleibt da und passt auf das Gepäck auf, die anderen können sich so noch ein bisschem umschauen.
Ich nutze die Zeit und schreibe ein paar Ansichtskarten, die ich nachher beim neben dem Bahnhof gelegenen Postamt aufgebe.
Auch in den Geschäften rund um den Bahnhof ist noch viel los:

Nachher passiert etwas lustiges. Schon tagsüber ist uns aufgefallen, dass wir hier ziemliche Exoten sind. Uns sind vielleicht 10 andere „Weisse“ begegnet, nicht mehr. Natürlich haben wir oft interessierte Blicke der Chinesen geerntet.
Naja, wir sitzen also auf den Stufen vor dem Bahnhof und irgendwann setzen sich immer mehr Eingeborene zu uns und schauen. Vor allem die Digitalkamera fasziniert sie und sie können es kaum glauben, dass man das Bild sofort (auf dem Display) sehen können...

Die hier auf dem Foto sind bei weitem nicht alle, sie stehen da echt im Halbkreis um uns herum.
Vor allem Veronika hat es den Frauen angetan, da sie ja etwas helleres Haar hat. Die Frauen betasten ihre Hände, wohl um festzustellen, wie sich Europäer anfühlen...
Das wir irgendwie schon ein eigenartiges Erlebnis!
Irgendwann gegen 22 Uhr verabschieden uns aber dann von den netten Leuten und suchen den Warteraum für Zug N955 nach Alma-Ata auf:

Im Warteraum:

Hier hören wir auch schon wieder eine vertraute, verständliche Sprache – nämlich russisch. Viele der Fahrgäste sind nämlich Kasachen.
Nach einer guten Woche China wirkt dann selbst Kasachstan vertraut und heimatlich...
Erst gegen 23:40 wir der Zugang zum Bahnsteig geöffnet. Dort warten ein paar nicht minder vertraut wirkende Ammendorf-Waggons auf uns:



Wir steigen ein und machen es uns im Abteil bequem.
Noch ein Blick auf den Hausbahnsteig von Urumchi:

Wer weiss, ob und wann ich hier je wieder vorbei komme? Ich hoffe natürlich schon, dass sich wieder mal die Gelegenheit ergibt.
Vorerst aber heisst es Abschied nehmen von China. Naja, noch nicht ganz, die Grenze ist ja erst morgen.
Pünktlich um 23:58 fahren wir los. Das ist der Fahrplan für die kommenden 1374 Kilometer bis Alma-Ata:
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| Bahnhof | Ankunft | Abfahrt | Zug |
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| Urumchi | | 23:58| 955KH|
| ? | 0:23| 0:31| |
| ? | 4:26| 4:35| |
| Alashankou | 8:30| 11:00| |
| Drujba(Gr) | | | |
| Drujba(KAZ) | 13:36| 13:40| |
| Jalanaschkol | 14:37| 14:42| |
| Koktuma | 15:33| 15:43| |
| Beskol | 16:57| 17:12| |
| Aktogay | 19:45| 20:10| |
| Mataj | 22:15| 22:30| |
| Usch-Tobe | 00:10| 0:25| |
| Sary-Ozek | 2:30| 2:45| |
| Alma-Ata 1 | 6:30| 6:55| |
| Almaty 2 | 6:19| | |
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Der Fahrplanauszug kommt nun auch wieder aus dem DB-Hafas – man merkt es, wir sind schon fast daheim. Nur die zwei Zwischenhalte zwischen Urumchi und dem chinesischen Grenzbahnhof Alashankou habe ich aus dem chinesischen Kursbuch ergänzt. Natürlich nur die Zeiten, wie die Bahnhöfe heissen, kann ich leider nicht entziffern...
Auch stimmt die angegeben Ankunftszeit für Druzhba (weiss nicht, warum Hafas das zu Drujba transkribiert) stimmt natürlich nicht, 4 Minuten Grenzaufenthalt sind völlig unmöglich, zumal ja auch umgespurt werden muss.
Die kasachische Zeit ist zwei Stunden hinter der chinesischen, wenn es bei der Abfahrt in Alashankou 11 Uhr ist, ist es im wenige Kilometer entfernten Druzhba erst 9 Uhr.
Aber mehr zu chinesisch-kasachischen Grenze dann im nächsten Teil...