Samstag 4.4.2004
Die Stadtbesichtigung ist eher kurz ausgefallen, per U-Bahn ins
Zentrum, dort ein kleiner Spaziergang zum "Palast des Volkes",
einem Monumentalbau aus der Ceaucescu-Ära.
Auf http://www.tabibito.de/balkan/bukarest.html steht mehr
darüber:
| Bekannteste Sehenswürdigkeit der Stadt dürfte wohl die Casa
| Poporului (Palast des Volkes) sein. Heute "Palast des Parlaments"
| genannt, dominiert dieses gigantische Gebilde den Süden der Stadt.
| Nebenan gibt es einen grossen, leeren Park und rundherum eine
| lange Mauer, damit das Volk auch ja nicht in seinen Palast kann.
| 1984 kam Ceausescu auf die Idee, dieses Monstrum zu bauen. Gesagt,
| getan. 20'000 Arbeiter folgten den Zeichnungen von 700
| Architekten - die Chefarchitektin war eine blutjunge Anfängerin
| (damals wohl um die 25 Jahre alt, dies war auch ihr erster
| Auftrag), was man jedoch dem Bau nicht ansieht - man kann sagen,
| was man will, aber er ist schon eine architektonische Leistung.
|
| 1989, also im Jahr des Sturzes Ceausescus, waren ca. 70%
| vollendet. Es gab nach der Revolution Stimmen, die den Abriss
| forderten - aber da das sinnlos wäre, beschied man, den Bau zu
| vollenden - allerdings gemächlicher. Heute sind rund 90 %
| vollendet. Verwendet werden und wurden, von technischer
| Ausstattung abgesehen, ausschliesslich rumänische Materialien -
| darunter tonnenweise feinster Marmor in unterschiedlichsten Farben
| sowie viel Kristall für dutzende Lüster. Der Palast ist
| flächenmässig gesehen der zweitgrösste Bau der Welt - Nr. 1 ist
| das Pentagon. Vom Volumen her ist es das drittgrösste - nach
| Pentagon und...irgendwas anderem. Heuer wird es für Kongresse und
| durch die Regierung genutzt. Eine kleine Anekdote liess die nette
| Dame, die uns herumführte, noch blicken: An der Frontseite gibt es
| einen grossen, prunkvollen Balkon, davor ein grosser Platz.
| Ceausescu wollte von dort zum Volk sprechen - allerdings kam ihm
| das fliegende Exekutionskommando zuvor. Der einzige, der später
| dann von diesem Balkon einmal sprechen sollte, war Michael
| Jackson - der die Massen mit einem herzhaften "Hello BUDAPEST"
| begrüsst haben soll.
Viel habe ich also nicht von Bukarest gesehen, denn wir müssen
schon wieder zurück zum Bahnhof. Abfahrt ist um 11:51 mit D 461
"Transbalkan".
Die U-Bahn macht übrigens keinen besonders einladenden Eindruck:
Fahrzeuge und Stationen sind nicht wirklich sauber, die Intervalle
sind eher dünn (OK, es ist Sonntagvormittag), die Inanspruchnahme
auch eher gering. Ausserdem wird man hier auch mit der Armut im
Land konfrontiert, im U-Bahn-Bereich sind die - auch aus
TV-Reportagen bekannten - Strassenkinder von Bukarest nicht zu
übersehen. Das ganze wirkt eher trist.
Naja, trotz aller wirtschaftlichen und sozialen Probleme ist
Rumänien sicher einen Besuch wert, auch ich möchte mir das Land
und die Hauptstadt Bukarest nochmal genauer ansehen (was ja dank
Direktverbindung von Graz nicht so kompliziert ist).
Diesmal bin ich eher nur auf der Durchreise.
Als wir Bahnhof ankommen, steht unser Zug schon bereit. Es handelt
sich um den D 461 "Transbalkan" Budapest - Bukarest - Sofia -
Thessalonikí. Der Zug wurde erst vor wenigen Jahren eingeführt,
als die Strecke über Beograd unterbrochen war. Die Route über Novi
Sad - Belgrad - Nis - Skopje ist zwar mittlerweile wieder
durchgehend befahrbar, den "Transbalkan" gibt es aber immer noch.
Allerdings dient er wohl kaum dem Verkehr von Ungarn nach
Griechenland, sondern wird eher auf Teilstrecken genutzt.
Die Fahrzeit Budapest - Thessaloniki über Belgrad beträgt mit 1x
umsteigen 21:14, mit dem Transbalkan ist man wegen des riesigen
Umweges 34:58 unterwegs.
Lediglich im Sommer scheint es nennenswerten Verkehr nach
Griechenland zu geben, dann sogar in direkten Kurswagen Prag -
Thessaloniki und Bratislava - Thessaloniki.
Jetzt ist aber noch Vorsaison, es gibt nur einen einzigen auf der
Gesamtstrecke Budapest - Thessaloniki durchlaufenden
MAV-Schlafwagen.
Dazu noch je einen bulgarischen Schlaf- und Liegewagen von
Budapest nach Sofia. Der einzige Sitzwagen ist ein rumänischer
Abteilwagen von Bukarest nach Sofia.
Für den Verkehr Budapest - Bukarest gibt es noch eigene Schlaf-
und Sitzwagen, ausserdem noch einen MAV-Liegewagen Budapest -
Istanbul. Diese werden in Bucuresti abgehängt, den Wagen nach
Istanbul werden wir später nochmal sehen, denn er wird in Bukarest
an den um 14:00 abfahrenden "Bosfor" nach Istanbul angehängt, den
wir in Russe zu besteigen gedenken.
Aufgrund ungünstiger Licht- und Zeitverhältnisse gehen sich vor
der Abfahrt in Bukarest keine Fotos mehr aus. Wir suchen uns ein
leeres Abteil im CFR-Sitzwagen. Dass der Wagen etwas
heruntergekommen ist, stört nicht weiter, wir fahren ja nur
zweieinhalb Stunden mit.
Für Nachtfahrten würde ich mir das aber nicht antuen, aber das ist
angesichts des niedrigen Preisniveaus bei Schlafwagen auch nicht
notwendig.
Der Zug fährt pünktlich in Bukarest ab. Da wir trotz
Reservierungspflicht keine Reservierung haben, müssen wir beim
Schaffner "nachlösen" - natürlich papiersparend ohne Ticket...
Nach der Fahrt durch Bukarests Aussenbezirke und Vororte wird die
Gegend bald hügeliger.
Durchfahrt durch den Bahnhof Comana:




Die Strecke nach Giurgiu und weiter über
die Donau nach Russe in Bulgarien ist grossteils eingleisig und
nicht elektrifiziert. Kurz vor dem Grenzort Giurgiu nähern wir uns
dem breiten Donautal, die Strecke fällt langsam westwärts in das
Tal ab.

Während des 45minütigen Aufenthaltes im Bahnhof Giurgiu Nord
finden die rumänischen Grenzkontrollen statt.


Ausserdem wird die Lok gewechselt: Die rumänische Diesellok (60
1356) wird durch eine BDZ-Diesellok der Baureihe 07 ersetzt
(http://railfaneurope.net/pix/bg/diesel/07/pix.html). Diese bringt
den Zug dann ins 17 km entfernte Russe. Dort beginnt der Fahrdraht
und weiter geht es dann elektrisch. Dass die CFR-Diesellok nicht
nach Russe fährt, ist wohl typische Eisenbahnbürokratie...
Nach der Abfahrt geht es entlang von typischen
Plattenbausiedlungen in Richtung Donaubrücke. Die Donaubrücke bei
Russe dient sowohl dem Bahn- als auch dem Strassenverkehr, über
der eingleisigen Bahnstrecke gibt es noch eine Strasse.
Viel Verkehr (weder auf der Strasse noch auf der Bahn) gibt es
zwischen Bulgarien und Rumänien offenbar nicht. Erst 300 km
flussaufwärts gibt es wieder eine Möglichkeit, die Donau mittels
der Fähre Calafat - Vidin zu queren.
Eine feste Verbindung der beiden Donauaufer gibt es gar erst
wieder zwischen Rumänien und Serbien (Strassenbrücke bei Drobeta
Turnu Severin). Die nächste Eisenbahnbrücke gibt es erst in
Belgrad.
Flussabwärts gibt es ca. 150 km östlich von Russe eine Bahn- und
Strassenbrücke bei Cernavoda (hier ist die Donau allerdings keine
Staatsgrenze mehr, die Grenze "zweigt" bei Silistra (dort gibt es
evtl. auch zumindest eine Strasssenbrücke, ist aber aus meinem
Atlas nicht ganz klar ersichtlich) von der Donau ab...
Es gibt aber offenbar auch kaum Bedarf für bessere
Verkehrsverbindungen Bulgarien - Rumänien. Neben unserem
"Transbalkan" gibt es noch den "Bosfor" (Bukarest - Istanbul) und
den "Bulgaria Express" (Moskau - Sofia), im Sommer noch einen Zug
Bucuresti - Varna/Burgas (bulgarische Schwarzmeerküste) mit
Kurswagen von Budapest und Prag. Grenzüberschreitenden
Regionalverkehr gibt es nicht, insgesamt also drei ganzjährige und
ein Sasionzugpaar. Und wirklich voll ist unser Zug auch nicht, im
einzigen Sitzwagen befinden sich vielleicht 20 Fahrgäste.
Aber auch auf der Strasse ist nicht wirklich viel los, wie auf
diesem Bild von Auffahrt der Strasse auf die Brücke ersichtlich
ist:

Die Donau trennt die Menschen in Bulgarien und Rumänien
voneinander, auch die unterschiedliche Sprachen (Bulgarisch ist
eine slwaische Sprache mit kyrillischer Schrift, Rumänisch ist
eine romanische Sprache mit lateinischer Schrift) begünstigen
nachbarschaftliche Beziehungen nicht gerade. Kaum ein Bulgare
spricht rumänisch bzw. umgekehrt. Es besteht also für den
Durchschnittsrumänen kein Anlass nach Bulgarien zu fahren.
Ausflüge ins Nachbarland (so wie unsereiner halt mal schnell nach
Maribor, Bratislava oder Sopron fährt) kämen hier wohl niemanden
in den Sinn, die Leute haben andere Sorgen.
Wenn man hier die Grenze überquert, hat man noch das Gefühl es mit
einer "echten" Grenze zu tun zu haben, auch wenn die Kontrollen
eigentlich harmlos sind und man als Österreicher weder für
Bulgarien noch für Rumänien ein Visum benötigt.
Langsam (ca. 40 km/h) fährt der Zug durch das Untergeschoss der
gewaltigen Brückenkonstruktion, die Schienenstösse machen sich
laut wiederhallend bemerkbar.
Die Donau ist hier doch schon wesentlich breiter als in Wien:


Nach der Überquerung der Donau geht es noch einige Kilometer durch
mehr oder weniger intakte Industrianlagen, bevor der Zug pünktlich
um 14:40 in Russe ankommt.
Erst nach der Pass- und Zollkontrolle dürfen wir aussteigen. Am
Bahnsteig bieten ein paar schwindlige Typen den Fahrgästen (zu
beneso schwindligen Kursen) eine Geldwechselmöglichkeit an, wir
ignorieren diese und machen uns auf dem Weg zum
Fahrkartenschalter.
Die Gleise befinden sich quasi in Hochlage, es gibt einen Haus-
und einen Inselbahnsteig. Der internationale Fahrkartenschalter
befindet sich im Hauptgebäude westlich der Gleise.
Hier wird ein letzter Versuch gestartet, den Balkan-Flexi-Pass zu
kaufen, der scheitert aber daran, dass die BDZ-Mitarbeiterein uns
mitteilt, dass es die billige 2.-Klasse-Version nur für Leute aus
jenen Ländern gibt, in denen der Balkan-Flexi-Pass gilt. Für alle
anderen gibt es nur eine doppelt so teure 1.-Klasse-Version (96
statt 48 Euro für 5 Tage innerhalb eines Monats auf den Netzen von
CFR, BDZ, TCDD, OSE, CFARYM und JZ, angegebene Preise gelten für
Jugendliche unter 26). Das ist mir dann doch zu teuer, da sind
normale Fahrkarten wohl günstiger (zumal ich ja bis Istanbul schon
eine Fahrkarte habe).
Wir kaufen daher nur zwei Bettkarten Russe - Istanbul für Zug 499.
Ein Bettplatz im Double-Abteil kostet lediglich 11 Euro,
umgerechnet 21,74 Leva.
Der Grund für unseren Zwischenstop in Russe ist quasi
geschäftlicher Natur: Emanuele ist im Betrieb seiner Eltern tätig,
die Firma - www.azpneumatica.it - stellt pneumatische Ventile und
dergleichen her und hat zahlreiche Kunden am Balkan, die Emanuele
immer wieder - fast immer per Bahn - besucht. Am Balkan - meint
er - ist es nicht ausreichend, wenn man mit den Kunden nur per
Telefon oder Email verkehrt, persönliche Kontakte sind sehr
wichtig. Diese Balkanrundreise ist für Emanuele zum Teil auch eine
Dienstreise.
Das Geschäftslokal befindet sich gleich gegenüber des Bahnhofes,
dort können wir unser Gepäck deponieren. Bis zur Weiterfahrt nach
Istanbul ist Zeit für ein Mittagessen (mit Besprechung
geschäftlicher Angelegenheiten) in einem Gasthaus sowie für eine
kurze Stadtbesichtigung mit Spaziergang zur Donau. Das Zentrum
macht einen netten, gepflegten Eindruck.
Kurz nach 17 Uhr sind wir wieder zurück am Bahnhof.

Interessant sind übrigens die zweisprachigen Beschriftungen im
Bahnhof:

Unser Zug steht schon am Bahnteig, auch die bulgarische E-Lok
(45-200) ist schon am Zug. Noch ist aber genug Zeit für ein Foto:

Hinter der Lok befindet sich ein blauer BDZ-Sitzwagen für den
Inlandsverkehr Russe - Svilengrad, danach folgen ein blauweisser
MAV-Liegewagen (Budapest - Istanbul), ein blauer CFR-Schlafwagen
(Bucuresti - Istanbul), ein dunkelblau-roter TCDD-Liegewagen
(Bucuresti - Istanbul) und ein blauer CFR-Liegewagen (Bucuresti -
Istanbul).
Wirklich voll ist der Zug nicht, im MAV-Liegewagen befindet sich
ein einziger Fahrgast, im CFR-Schlafwagen, in dem wir unsere
Bettplätze reserviert haben, sind vielleicht noch zwei andere
Abteile belegt. Wie es in den anderen Wagen aussieht, weiss ich
nicht.
Wir steigen in den CFR-Schlafwagen. Der rumänische
Schlafwagenschaffner meint aber, dass unser Abteil ein schlechtes
sei (vielleicht weil über dem Drehgestell) und "bietet" uns -
irgendwas von 'first class' faselnd - ein anderes Abteil an. Das
kostet aber einen "Aufpreis" in der Höhe von 5 Euro (für 2
Personen). Diskutieren ist aber wohl sinnlos, wir geben ihm fünf
unserer heiss begehrten Euronen. Die Gehälter der CFR-Schaffner
sind sicher nicht berühmt und er hat die 5 Euro wohl notwendiger
als wir...
Mich stört die Sache nicht weiter, mit solchen Situationen muss
man am Balkan halt rechnen. Mich wundert nur der Unterschied zu
meinen Bahnerfahrungen in Russland (und im Sommer in der Ukraine),
dort ist mir derartiges nie wiederfahren und ich hatte den
Eindruck als würden bei der Bahn dort die Regeln genauer
eingehalten. Gut, die Züge, mit denen ich bisher in Ländern der
ehemaligen UdSSR gefahren bin, zählten meistens zu den besseren
des Landes. Möglicherweise sind die Zustände in irgendwelchen
Passaschirskij-Zügen balkan-ähnlicher...
Wie auch immer, der Zug fährt immerhin pünktlich ab. Auf der Fahrt
nach Istanbul durchquert der Zug Bulgarien von Norden nach Süden.
Zunächst geht es auf eingleisiger Strecke über Bjala zum
Bahnknoten Gorna Orjahovica.
Die Landschaft ist hügelig, wir durchfahren zahlreiche kleine
Dörfer.
Kurz vor Gorna Orjahovica: Lok 45-200, der BDZ-Sitzwagen sowie der
MAV-Liegewagen samt Kopf des einzigen Fahrgastes...

In Gorna Orjahovica kreuzen wir die Hauptstrecke Sofia - Varna
(Schwarzes Meer).
Bei der Einfahrt in den Bahnhof:




5 Minuten Aufenthalt in Gorna Orjahovica:
Nach Gorna Orjahovica zweigt unsere Strecke bald nach Süden ab.
Die Gegend wird nun etwas gebirgig, leider wird es nun auch
zunehmend finster.

Im Bahnhof Veliko Tarnovo entstehen die letzten Bilder des Tages:


Der Schlafwagen (ein OSSHD-Wagen) ist zwar etwas älter als jener
auf der Strecke Venedig - Bukarest, ist aber eigentlich auch in
passablem Zustand. Etwas ärgerlich ist aber einerseits, dass das
obere der beiden Betten nicht in der Zwischenstellung zwischen
mittlerer und oberer Position fixiert ist (wie das bei
Double-Abteilen üblich sein sollte).

Andererseits ist der Wagen nicht geheizt, was angesichts der
kühlen Nacht- und Morgentemperaturen doch etwas unangenehem ist.
Ob Heizung und Bettzwischenstellung technisch nicht machbar waren
oder ob es einfach "nur" eines weiteren "Spezialzuschlages"
bedurft hätte, haben wier nicht versucht herauszufinden...
Die beiden vergangenen Tage haben beide recht früh begonnen (in
Graz um ca. 4:45 MEZ, im Schlafwagen nach Bukarest um ca. 4:00 MEZ
(5:00 OEZ)), daher macht sich nun recht früh Müdigkeit breit.
Einmal eingeschlafen merke ich nichts mehr von der nächtlichen
Durchfahrt durch Bulgarien.
Montag 5.4.2004
Leider unterbricht die bulgarisch-türkische Grenze den Schlaf. Um
1:17 ist Ankunft am bulgarischen Grenzbahnhof Svilengrad. Abfahrt
dort ist um 2:15, um 2:40 kommt der Zug dann im türkischen
Kapikule an. Von dort geht es erst um 4:00 weiter.
Bis dahin ist kaum an Schlaf zu denken. Die Kontrolle der Bulgaren
ist zwar recht schnell erledigt, aber solange der Zug steht und
ich jederzeit damit rechnen muss, dass noch irgendjemand
irgendetwas von mir will, kann ich nicht einschlafen. Ausserdem
wird man eh spätestens in Kapikule wieder geweckt.
Irgendwann geht es dann weiter nach Kapikule. Die Strecke ist
offenbar nicht elektrifiziert, eine BDZ-Diesellok zieht uns über
die Grenze. Angesichts der Dunkelheit ist draussen nicht viel zu
sehen, lediglich aufgrund zahlreicher hell erleuchteter
Abfertigungsgebäude an der nahen Autobahn ist die Grenze zu
erkennen. Schliesslich kommt der Zug dann am Hausbahnsteig des
Bahnhofes Kapikule zu stehen.
Die schlaflose Zeit ist nicht ärgerlich genug, hier muss man für
die Grenzkontrolle sogar aussteigen. D.h. anziehen und dann raus
in die Kälte bei Temperaturen um den Gefrierpunkt.
Als Österreicher benötigt man für die Einreise auch ein Visum,
welches man um 15 Euro direkt an der Grenze kaufen kann. Das
Polizeigebäude ist in das Bahnhofsgebäude integriert, dort findet
die Passkontrolle statt. Das Visum bekommt man in einem
Nebengebäude am Hausbahnsteig, dort ist aber noch alles
geschlossen.
Die meisten Fahrgäste stürmen zur Passkontrolle - jeder will der
erste wieder zurück im Zug sein. So leer ist der Zug - dem in
Svilengrad oder Dimitrovgrad noch zwei Kurswagen aus Sofia
beigegeben wurden - offenbar doch nicht. Wir und noch ein paar
andere Rucksacktouristen (darunter Amis und Italiener) warten
darauf, dass der Typ im Nebengebäude seinen Schalter öffnet. Nach
ein paar Minuten geschieht das auch und wir können das Visum
kaufen.
Mit dem Pickerl im Pass gehen wir dann zur Passkontrolle. Mein
alter grüner Reisepass wird zwar etwas genauer angesehen, ich
bekomme dann aber doch den Stempel auf das soeben erworbene Visum.
Kurz nach 3 Uhr können wir also wieder einsteigen. Nachdem alle
wieder eingestiegen sind, geht noch ein Polizist durch den Zug und
überprüft ob jeder einen Stempel im Pass hat. Wer - im guten
Glauben daran, dass es eh' eine normale Passkontrolle im Zug
gibt - im Zug geblieben ist, muss spätestens jetzt aussteigen und
sich Visum (falls erforderlich) und Stempel holen. Das war dann
tatsächlich bei einem Reisenden der Fall, der hat sich irgendwie
nicht recht ausgekannt...
Wie auch immer, während der noch verbleibenden Zeit bis zur
Abfahrt um 4:00 kann ich vom Abteil aus noch ein Foto des
Polizeigebäudes am Bahnhof machen. An den erkennbaren Schaltern
findet die Passkontrolle statt, im Hintergrund links ist das
Visa-Hütterl zu erkennen.
Das Foto ist nicht perfekt, aber ich war auf mein Bett als
"Stativ" angewiesen (was die Motivwahl etwas einengte), ausserdem
wollte ich aus Sicherheitsgründen das Fenster nicht öffnen. Weiss
nicht, ob das lustig ist, wenn die türkischen Grenzleute merken,
dass man hier fotografiert....

Die Strecke bis Istanbul ist elektrifiziert und grossteils
eingleisig. Von Kapikule nach Istanbul zieht uns eine Lok der
Baureihe 52500, eine Art türkische 1043er...
Noch bevor der Zug in Kapikule losfährt lege ich mich hin und
schlafe ein.
Gegen 7 Uhr morgens wache ich - sicher auch wegen der Kälte - auf.
Heizung gibt es ja keine, ich ziehe mich daher schnell an um vom
Gang aus ein paar erste Eindrücke von der Türkei zu bekommen.


Auffallend ist der recht flotte Takt der Schienenstösse. Das liegt
allerdings nicht am hohen Tempo, entweder sind die Schienen so
kurz oder die Schienenstösse sind versetzt angeordnet. Der
fremdartige Klang der Schienenstösse und das Schaukeln des Zuges
bewirken ein ganz eigenes "Eisenbahn-Feeling"...
Bahnhof Halkali, ca. 45 Minuten vor dem Zugendbahnhof:

Ab hier ist die Strecke zweigleisig, es gibt dichten Vorortverkehr
mit Intervallen von 15 bis 30 Minuten. Siehe
http://www.tcdd.gov.tr/yolcu/banliyo/ba ... aliist.htm
Die türkische Bezeichnung "Banliyö Tasimaciligi" für Vorortverkehr
hat eindeutig französische Wurzeln...
Durchfahrt durch die Haltestelle Menekse:

Kurz vor Istanbul kann man auf der rechten Seite immer wieder
kurze Blicke (zum Fotografieren leider zu kurze) auf das
Marmara-Meer erhaschen.
Mit ca. 15 Minuten Verspätung kommt der D 499 "Bosfor"
schliesslich am Sirkeci-Bahnhof in Istanbul an:



Neben dem Vorortverkehr nach Halkali gibt es hier nur 4
Schnellzugpaare, eines davon ist der "Bosfor". Die Bahn spielt -
wie auch in Bulgarien und anderen Ländern am Balkan - in der
Türkei im Fernverkehr eine untergeordnete Rolle, der Grossteil
wird mit Bussen abgewickelt. Diese sind zwar teurer, aber meist
wesentlich schneller als die Bahn...
Fortsetzung folgt...
LG
Helmut