Quelle: http://www.kurier.at/wirtschaft/452125.phpWien - Nach Meinung des britischen Bahnexperten Jon Shaw von der Universität Aberdeen sollten die Pläne zu einer Reform der Bahn noch einmal überprüft werden. Man solle sich die Frage stellen, ob durch die Reformpläne nicht mehr Subventionen notwendig sein würden, ob die Effizienz wirklich erhöht werden könne und ob Kosten nicht schlicht verlagert würden - etwa auf den Kunden, der dann höhere Fahrpreise zu zahlen habe, meinte Shaw am Montag bei einem Experten-Hearing der SPÖ im Parlament.
Effizienz der Investitionen gesunken
Shaw sieht in einer Reform der Bahn "viele Chancen, aber auch viele Gefahren". Über die Privatisierung der Bahn in Großbritannien zieht der Experte eine negative Bilanz. Der jährlich Subventionsbedarf des Staates sei in Folge der Reform von 2,4 auf 5,7 Milliarden Euro gestiegen, allein die Umstrukturierung habe den Staat rund 900 Millionen Euro gekostet. Die Gesamtinvestitionen in das System Schiene hätten sich seit der Privatisierung der British Rail im Jahre 1994 zwar von 2 auf 6 Milliarden Euro verdreifacht. Die Preise zur Erhaltung der Infrastruktur hätten sich jedoch verdoppelt, die Effizienz der Investitionen sei also gesunken, sagt Shaw.
Ein Viertel mehr Fahrgäste
Statt früher einer Bahn gibt es laut dem Experten heute in ganz Großbritannien rund 100 Bahnunternehmen. Positiv daran: Die Zahl der Züge sei dadurch gestiegen, auch die Zahl der Fahrgäste habe sich um rund 25 Prozent erhöht. Die Summe der beförderten Güter hingegen sei zurückgegangen. Und der Anstieg des Verkehrsaufkommens insgesamt habe zu einer Überlastung der Schiene geführt, wodurch die Züge weit häufiger verspätet einträfen als früher. Statt früher nur 10 Prozent komme heute jeder fünfte Zug unpünktlich an, was in Großbritannien im Nahverkehr mehr als 5 Minuten und im Fernverkehr mehr als zehn Minuten Verspätung bedeute.
Fahrpreiserhöhungen
Ungeachtet dessen, so Shaw, seien die Fahrpreise in Großbritannien teils deutlich gestiegen. Die durchschnittliche Fahrpreiserhöhung mache zwar inflationsbereinigt nur 3,4 Prozent aus. Teils hätten sich die Preise jedoch um bis zu 36 Prozent erhöht. Wie bei Billigfliegern - und kurze Zeit auch bei der Deutschen Bahn - zahlt man in Großbritannien nämlich mehr, wenn man sein Ticket unmittelbar vor Abfahrt am Schalter kauft. Nur wer langfristig vorbestellt, kommt billiger davon. Dieses System sei jedoch für die meisten Kunden "inakzeptabel", meint Shaw. Ob die Privatisierung auch zu mehr Unfällen auf der Bahn geführt habe, lasse sich nicht eindeutig nachweisen. Binnen sechs Jahren nach der Privatisierung habe es 87 Unfälle auf der britischen Bahn gegeben, in den sechs Jahren davor seien es nur 42 gewesen. Wieder sechs Jahre früher seien aber 105 Zugunfälle gezählt worden, sagt Shaw.
Fest stehe jedoch, dass es durch die Privatisierung der Schieneninfrastruktur zu schwerwiegenden Investitionsproblemen gekommen sei. Die privatisierte Infrastrukturgesellschaft Railtrack habe bei den Investitionen zunächst eher an die Aktionäre als an das System Schiene gedacht. Dann habe jedoch eine gebrochene Schiene zu einem schweren Unfall in der Nähe von London geführt. Railtrack sei in Folge zu einem umfangreichen Erneuerungsprogramm gezwungen gewesen, das den Bahnbetrieb noch heute beeinträchtige und Railtrack in den Konkurs getrieben habe, so Shaw.
Wenn man die Nachteile den Vorteilen der Bahnreform in Großbritannien gegenüberstellt, wird man feststellen, dass eindeutig die Nachteile überwiegen. Man kann nur hoffen, dass das österreichische Reformkonzept besser ist und aus den Fehlern der Briten gelernt wurde. Leider sieht es derzeit aber überhaupt nicht danach aus.
Ich habe im Vorjahr selbst leidvolle Erfahrungen mit dem britischen Eisenbahnsystem gemacht. Der extrem teure Stansted Express (einfache Fahrt zweiter Klasse kostet £ 13,00) war bei meinen beiden Fahrten jeweils fast eine halbe Stunde verspätet. Auch bei der Londoner U-Bahn gab es während meines Aufenthalts mehrmals Probleme.