RB Ukraine - Teil 1: Graz - L'vov

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Helmut Uttenthaler
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RB Ukraine - Teil 1: Graz - L'vov

Beitrag von Helmut Uttenthaler »

Im Juli 2004 stand bei mir wieder mal eine Reise in den fernen Osten an. Diesmal sollte es in die Ukraine gehen, zumindest spätestens seit den Präsidentenwahlen mit der "orangen Revolution" in diesem Winter sollte die Ukraine auch hierzulande jedermann ein Begriff sein. Trotzdem, ein Standardurlaubsland ist die Ukraine nicht, obwohl es dort viel interessantes zu sehen gibt. In den Köpfen vieler Österreicher ist wohl alles jenseits von Bratislava eine andere Welt, dabei ist es von Wien bis zur ukrainischen Grenze nicht weiter als nach Vorarlberg.

Natürlich, die Bahnverbindungen dorthin sind nicht gerade die besten (auch wenn es den direkten Schlafwagen ab Wien gibt), die Visabürokratie sowie die Sorachbarriere halten auch viele Reisende ab. Trotzdem, es lohnt sich der Ukraine einen Besuch abstatten. Vielleicht kann ich ja mit meinem Reisebericht den einen oder anderen zur Nachahmung anstiften.

Natürlich erfolgte die Reise per Bahn, die Reiseroute sah folgendermaßen aus:


Abfahrt in Graz am Sonntag dem 17.7. nach Wien, von dort mit dem direkten Schlafwagen durch die Slowakei nach Lemberg (L’viv) im Westen der Ukraine. Nach zwei Tagen in Lemberg am 21.7. per Nachtzug nach Odessa.
Zwei Tage später wieder per Nachtzug von Odessa nach Simferopol auf der Krim. Auf der Krim ca. eine Woche Aufenthalt.
Am 30.7. dann über Nacht von Simferopol nach Kiev. Nach einer Übernachtung in Kiev am 1.8. spätabends Abfahrt Richtung Wien, dort Ankunft nach zwei Nächten am 3.8. und Weiterfahrt nach Graz.

Reisevorbereitungen:

Zur Einreise in die Ukraine ist ein Visum nötig, und da einer meiner Mitreisenden jemand kennt, der aus Lemberg kommt, war es kein Problem, ein Privatvisum zu beantragen. Für dieses benötigt man nämlich keine Einladung, sondern es ist ausreichen, wenn man auf dem Visumantrag die Anschrift einer einladenden Privatperson in der Ukraine angibt. Ob man die dann auch tatsächlich kennt oder besucht, ist nicht so wichtig. Wir haben die Eltern des Freundes als einladende Personen angeben dürfen...
Die ausgefüllten Visaanträge, die Reisepässe, die Einzahlungsbestätigung für die Konsulargebühren (45 Euro kostet das Visum) sowie ein frankiertes Rückkuvert habe ich ein paar Wochen vor Abfahrt per Einschreiben an die ukrainische Botschaft in Wien geschickt, nach einer guten Woche kamen die Pässe mit den eingeklebten Visa zurück. Die Visa waren sogar – entgegen den Angaben am Antrag – für ein halbes Jahr ausgestellt worden, was ich aber nicht für weitere Reisen nutzen konnte, da das Visum ja nur eines für eine einmalige Einreise war.

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Die Hotelübernachtungen haben wir ebenfalls schon vor der Abfahrt organisiert, über Google habe ich in allen Städten passable und günstige Unterkünfte gefunden und via Email die Zimmer reserviert. Quartiersuche vor Ort wollten wir uns mangels Sprachkenntnissen ersparen – das kommt vielleicht beim nächsten Ost-Trip, zu diesem Zweck (na ja, nicht nur zu diesem) lerne ich seit Oktober Russisch auf der Slawistik der Grazer Karl-Franzens-Uni.

Auch die Fahrkarten und Schlafwagenreservierungen wollte ich schon vor der Abfahrt kaufen. Das hat aber nicht ganz geklappt: In Graz konnte ich zwar für die Strecken Wien–L’viv, L’viv–Odessa und Odessa–Simferopol Bettkarten erstehen, Buchungsversuche für die Strecken Simferopol–Kiev (obwohl es eh mehrere Züge am Tag gibt) und Kiev–Wien sind aber jedes Mal gescheitert.
Naja, kann man nichts machen, wird man sich halt in der Ukraine das Abenteuer „Fahrkartenkauf“ wagen.
Natürlich reichen die Bettkarten allein nicht aus, man braucht ja auch eine Fahrkarte dazu: In Österreich Inlandsticket (die Preistafel 1a können sich die ÖBB sonst wohin stecken...)
bis Kittsee Grenze, für die Rückfahrt ab Marchegg Grenze, jeweils am Automat gekauft (zwecks 50% Rabatt mit Vorteilscard).
Für die Transitstrecke durch die Slowakei Eurodomino<26 um 31 Euro. Da ich zwei Tage vor der Abfahrt in Wien zu tun hatte, habe ich mir gedacht, die Fahrkarten für die in der Ukraine gelegenen Strecken in Bratislava zu kaufen: In der Slowakei gibt es da nämlich 50% Rabatt, in Österreich mit Railplus nur 25% (allerdings hatte nur ich Railplus, meine Mitreisenden hätten Vollpreis bezahlen müssen). Die Kosten für den Abstecher von Wien nach Bratislava amortisieren sich da recht schnell. In Bratislava wollte ich Fahrkarten für die Strecken Chop Grenze–Simferopol (über L’viv–Odessa) und Kiev–Chop Grenze kaufen. Da ich für die Strecke Simferopol–Kiev sowieseo keine Bettkarte hatte, war es nicht sinnvoll, eine Fahrkarte für diese Strecke zu kaufen, zumal es in der Ukraine nicht einfach sein würde, eine Bettkarte (also ohne Fahrkarte) für eine Inlandsstrecke zu erstehen. Normalerweise kauft man dort ja Fahr- und Bettkarte in einem (es sind ja auch alle Fernzüge reservierungspflichtig).
Bei der Strecke Kiev–Chop Gr war das anders, eine internationale Bettkarte zu kaufen in der Ukraine zu kaufen stellte ich mir einfacher vor. Zumindest einfacher als dort erklären zu müssen, dass ich zwar einen Bettkarte nach Wien möchte, die dazugehörige Fahrkarte aber nur bis Chop Grenze ausgestellt werden soll, da ich ab dort Eurodomino verwende...
Chop Gr–Simferopol über Odessa war in Bratislava nicht möglich, die Strecke Odessa–Simferopol ist nicht im Verkaufssystem für internationale Fahrkarten.
Daher habe ich nur Fahrkarten Chop Gr–Odessa (um umgerechnet 22,8 Euro für gut 1000 km) und Kiev–Chop Gr (19,8 Euro für 900 km) in Bratislava gekauft.

Vor der Abfahrt fehlen uns also folgende Karten:
Odessa–Simferopol: Fahrkarte
Simferopol–Kiev: Fahr- und Bettkarte
Kiev–Wien: Bettkarte
Diese drei Geräte müssen wir also in der Ukraine erstehen, was später auch zu 2/3 funktionieren sollte...


Graz–Lemberg (L’viv):

Fahrkarten für die erste Etappe:
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Die Bettkarte Wien – L’vov habe ich nicht mehr, die hat der Schlafwagenschaffner behalten...

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Abfahrt in Graz ist am 17.7. mit EC 156 um 17:26. EC 156 (kommt von Zagreb) ist halbwegs pünktlich, ich setze mich in einen HZ-Grossraumwagen – Sitzteilung 2+1 auch in der 2. Klasse! Der Zug ist sonntagsbedingt recht gut gefüllt.
Ansonsten gibt es zur Fahrt nach Wien nicht viel zu erwähnen: Im Murtal bis Bruck, dann Mürztal bis Mürzzuschlag. Über den Semmering geht es mit teils nur 50-60 km/h nach Gloggnitz, ab dann recht flott durch’s Wiener Becken über Wiener Neustadt nach Wien, wo der Zug fast pünktlich auf Gleis 19 auf der Südseite ankommt.
Fahrzeit 2:35 für 214 km.
In Wien treffe ich meine beiden Mitreisenden, die aus München angereist sind. Noch ist Zeit für ein kleines Abendessen beim „Subway“ (ich glaub’ so heisst der Sandwich-Laden?) in der wenig einladenden Halle des insgesamt wenig einladenden Südbahnhofes.
Die Abfahrt des Schlafwagens nach Kiev erfolgt um 21:16 von der Ostseite des Südbahnhofes, an der Zugspitze des IC 407 nach Bratislava. Eine gute halbe Stunde davor steht der Zug (gezogen von einer 1x16, hinter dem UZ-Schlafwagen folgen ca. 6 IC-Wagen der ZSSK) schon bereit und wir können einsteigen. Natürlich nicht ohne Fahrkartenkontrolle durch die beiden Schlafwagenschaffner der ukrainischen Bahn.

UZ-Schlafwagen
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Beim Schlafwagen handelt es sich um einen ukrainischen RIC-Wagen. Während die im Zug Kiev-Berlin eingesetzen Wagen in den letzten Jahren modernisiert wurden, kommt auf der Strecke Kiev-Wien noch die usprüngliche Version des in großer Stückzahl für die damalige SZD gebauten Weitstreckenschlafwagens zum Einsatz. Freilich mittlerweile von grün auf blau umlackiert...
Die RZD setzt mittlerweile auf vielen Schlafwagenverbindungen (u.a. auch Moskau-Wien) neuere, Anfang der 90er Jahre gebaute, 200km/h-lauffähige Schlafwagen ein, die ukrainische Bahn hat jedoch keine derartigen Wagen.

Im Wagen ist es heiss und stickig, aber immerhin kann man zumindest auf der Gangseite die Fenster aufmachen.
Der Schlafwagen ist eigentlich ganz gut ausgelastet, die meisten Fahrgäste sind Ukrainer. Aber auch ein weiterer Österreicher ist unter den Fahrgästen, er fährt auch zum ersten Mal in die Ukraine um eine Freundin in Vinniza zu besuchen. Auch ein älteres italienisches Ehepaar ist an Bord, diese sind zusammen mit ihrer – ich vermute mal – Schwiegertochter aus der Ukraine unterwegs in Richtung Krim...

Pünktlich um 21:16 fährt IC 407 ab. Mit (vermutlich) 140 km/h geht es auf der Ostbahn nach Bruck an der Leitha. Durch den Fahrtwind wird es dank der offenen Fenster zumindest am Gang recht schnell erträglich.
Nach kurzem Halt in Bruck an der Leitha geht es mit ähnlicher Geschwindigkeit über Kittsee nach Bratislava-Petrzalka. Dort findet die Grenzkontrolle statt, und prompt ist auch für eine Reisende in unserem Schlafwagen Endstation. Ich denke, dass Ukrainer ein Transitvisum für die Slowakei benötigen, möglicherweise hatte sie kein solches. Mit Tränen im Gesicht wuchtet sie ihre Koffer aus dem Waggon....

Für uns geht die Reise mit einer Viertelstunde Verspätung weiter. Auch wenn es mittlerweile schon längst stockfinster ist, ist zu erkennen, dass die Strecke zum Hauptbahnhof durch ein Industrie- und Hafengebiet führt. Irgendwie hat das auch einen Reiz.

Planmässig sollten wir um 22:42 in Bratislava ankommen, um 23:00 sollte es dann mit Zug 601 zunächst nach Kosice weitergehen. Aufgrund der Verspätung des IC 407 wird unser Wagen nicht dem 601 beigegeben sondern dem um 23:50 abfahrenden Nachtzug 613 nach Humenne (über Kosice). Und da in Kosice sowieso zwei Stunden Aufenthalt für unseren Kurswagen vorgesehen sind, ist es egal, wenn mir erst eine Stunde später in Kosice ankommen...
Die Zeit bis 23:50 verstreicht aber nicht ungenutzt, denn unser Wagen wird von einer Verschublok recht weit aus dem Hauptbahnhof auf irgendwelche Abstellgleise gebracht, wo dann Wasser für’s WC nachgefüllt wird. Von Wien bis Bratislava gab es nämlich kein Wasser an Bord...

Bratislava hl. st. Kurz vor Mitternacht:
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Um 23:50 geht es dann endlich los in Richtung Osten und von einzelnen kürzeren Unterbrechungen abgesehen schlafe ich eigentlich ganz gut – obwohl der Zug laut Fahrplan fast jede Viertelstunde stehen bleibt.
Allerdings wache ich am nächsten Morgen schon recht früh auf, der Zug ist erst kurz vor Kosice, wo er um 5:50 ankommen sollte. Auch während des Aufenthaltes in Kosice bis 7:10 ist nichts mehr mit Einschlafen, zumal es ja draussen schon ziemlich hell ist.

Ab Kosice geht es mit Zug 221 weiter. Dieser Zug besteht lediglich aus 4 Wagen: Einem ZSSK-Sitzwagen Kosice–Cierna nad Tisou (das ist der letzte Bahnhof in der Slowakei), einem ZSSK-Sitzwagen Kosice–Chop, dem UZ-Schlafwagen Wien–Kiev und einem ZSSK-Schlafwagen Bratislava–Kiev.
Während der Fahrt Richtung Grenze teilt der Schlwafwagenschaffner Zolldeklarationsformulare aus. Das diese nur auf ukrainisch sind, habe ich mir schon gedacht, das kennt man ja schon von Weissrussland. Naja, die üblichen – im Regelfall mit „HET“ (=njet) (eigentlich „HI“ (=ni), ukrainisch und russisch sind ja doch verschieden) – zu beantwortenden Fragen nach Drogen, Waffen, radioaktiven Materialien etc.
Mit ein bisschen Kenntnis der kyrillischen Schrift und ein paar wichtiger Wörter haut das Ausfüllen einigermassen hin. Zur Sicherheit lassen wir die Zolldeklarationen aber noch von einer Mitreisenden (die, mit den italienischen Schwiegereltern; sie spricht auch italienisch, was für mich die Kommunikation erleichtert) kontrollieren.

Ankunft im slowakischen Grenzbahnhof Cierna nad Tisou ist um 8:29, nach der Ausreise-Grenzkontrolle geht es um 9:11 weiter. Laut Kursbuch sind es 10 km bis ins ukrainische Chop, für die der Zug 19 Minuten benötigt.
Irgendwo auf halber Strecke verlassen wir dann die EU und überqueren die ukrainische Grenze, welche nicht zu übersehen ist: Stacheldraht, Scheinwerfer, Überwachungsbrücke über dem Gleis, plötzliche Verschlechterung des Gleiszustandes: Während in der Slowakei der Gleiszustand zumindest halbwegs passabel war und der Zug sicher mit 80-100 km/h dahingebrettert ist, schaukeln wir nun mit vielleicht 30-40 km/h dahin.

Meine ersten Meter auf ukrainischen Gleisen:
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Kurz vor dem Bahnhof Chop kommt von rechts die Strecke aus Zahony (Ungarn) dazu. Wie üblich herrscht im Umfeld eines Spurwechselbahnhofes auch hier ein ziemliches Wirrwarr an Normalspur- und Breitspurgleisen. In Chop kommt unser Zug um 10:30 (OEZ = MEZ + 1 Stunde) am Hausbahnsteig an, soweit ich es mitbekommen habe, ist das auch der einzige Bahnsteig mit einem Vierschienengleis. Die beiden anderen Inselbahnsteige verfügen nur über Breitspurgleise.
Kaum angekommen, wird der Zug von einer Schar ukrainischer Grenzer (und –Innen, teils gar nicht unhübsch ;-) gestürmt. Naja, die sammeln halt Zolldeklarationen und Pässe ab, und schauen sich halt ein bisschen im Abteil um. Die Pässe bekommt man angeblich später zurück, man kann aber schon aussteigen.
Bis zur Weiterfahrt um 12:35 ist noch genug Zeit, sodass zwei von uns mal aussteigen um den Bahnhof zu erkunden. Der Bahnhof muss vor nicht allzu langer Zeit hergerichtet worden sein, die Bahnsteige machen einen ganz passablen Eindruck.

Dummerweise muss ich jetzt bemerken, dass ich vergessen habe, die Akkus für die Digitalkamera rechtzeitig vor der Abfahrt in Graz aufzuladen, sodass sie nun schon ziemlich schwach sind. Auch die Ersatzakkus geben nicht mehr viel her. Glücklicherweise habe ich für solche Fälle vorgesorgt, einige der nachstehenden Photos habe ich mit meiner Analog-Kamera gemacht.

Unser Waggon:
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Bahnsteige in Chop – im Hintergrund eine vierteilige Nahverkehrsdieseltriebwagengarnitur.
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Eine Verschublok der Baureihe ChM33 wird unseren Zug gleich in Richtung Umspuranlage befördern:
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Die Umspurprozedur verfolge ich diesmal nicht vom Anfang bis zum Ende live, dazu habe ich eh noch bei der Rückfahrt Gelegenheit und ausserdem habe ich das in Brest schon zweimal mitgemacht.
Der Bahnhof Chop verfügt übrigens über zwei Bahnhofsgebäude: Eine schönes, altes, das auch kürzlich erst renoviert wurde und ein nicht ganz so altes gammeliges aus den 70er-Jahren (oder so).

Altes...
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...und neues Bahnhofsgebäude im Chop:
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In letzterem befindet sich auch eine Wechselstube, wo wir ein bisschen ukrainisches Geld (Griwnij, 1 EUR ~ 6,4 UAH, Stand: Juli 2004) erstehen, um dann das Umfeld des Bahnhofes auf der Suche nach einem Vormittagessen unsicher zu machen. Die Suche ist erfolgreich, in einer Seitengasse gibt es einen Stand, wo Grillhendl verkauft werden - eine Portion kostet umgerechnet ca. einen Euro. Dazu kaufen wir noch ein Eis (so etwas "Magnum"-artiges, nur halt nicht von Eskimo, sondern ein ukrainisches Produkt halt) - mittlereile ist es nämlich schon recht heiss geworden...

Auf dem Rückweg zum Zug heftet sich – nachdem wir doch ziemlich eindeutig als „reiche“ Touristen zu erkenn sind – eine Zigeunerin uns an die Fersen, die wir auch kaum mehr loswerden (vor allem nachdem wir ihr ein paar Griwnij gegeben haben). Ich habe ja nichts gegen Bettler und mir tut es auch nicht weh, wenn ich ein ein paar Griwnij verschenke, aber dann hätte ich gerne meine Ruhe. Naja, irgendwann hört sie dann eh’ auf, uns nachzurennen.

Unser Zug steht mittlerweile nicht mehr am Hausbahnsteig, sondern schon in der Umspuranlage. Vom Hausbahnsteig gibt es einen Fussweg dorthin, es sind vielleicht 200 Meter:

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Das man hier zwischen den Gleisen herumspaziert ist völlig normal...

Links ist der ZSSK-Sitzwagen zu sehen, der ja nicht weiterfährt und folglich nicht umgespurt wird. Rechts im Hintergrund ist der ZSSK-Schlafwagen zu erkennen, der gerade zum Drehgestelltausch in die Höhe gehoben wurde, dahinter auf dem gleichen Gleis befindet sich der UZ-Schlafwagen aus Wien.
Und natürlich stehen zuhauf Tauschdrehgestelle herum. Der auf dem Bild sichtbare Seilzug neben den Drehgestellen dient zum Bewegen derselben.
Die Kräne im Hintergrund werden übrigens zum Tausch der Kupplungen verwendet.

Die Gleise im Bereich der Umspuranlage weisen übrigens eine Mischspurweite auf: Nicht zu weit, sodass Normalspurdrehgestelle nicht „durchfallen“, aber auch nicht zu eng, sodass auch ein Breitspurdrehgestell drauf fahren kann. Irgendwo gibt es dann halt einen Übergang zum echten Breitspurgleis:

Im Prinzip sieht die Situation in Chop so aus:

Vom Hausbahnsteig ausgehend führt das Vierschienengleis (N+B) nach Osten, das Normalspurgleis (1435 mm) zweigt bald nach rechts zur Umspuranlage ab, das Breitspurgleis (1520 mm) geht weiter, über eine Weiche wird dann das andere Ende der Umspuranlage erreicht, in welcher die Spurweite einen Zwischenwert zwischen Normal- und Breitspur annimmt:

[font=Courier]

__N+B___________________B___________________
Bahnst. \ /
\ /
\__N_Umspuranlage N/B__B__/

[/font]
Die Skizze ist natürlich stark vereinfacht, die Umspuranlage ist ja mehrgleisig und auch sonst gibt es in diesem Bereich noch jede Menge andere Gleise (z.B. zum Abstellen der Drehgestelle).

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Die Umspurerei ist eine personalintensive Prozedur, an jedem der zwei Wagen werkeln an die 5 Leute herum. Neben den Drehgestellen müssen ja auch die Kupplungen getauscht werden.

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Unser Wagen ist hat schon fast wieder festen Boden erreicht:
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Fotografierende Eisenbahnfreaks sind die Arbeiter hier gewohnt, keiner schert sich um mich:

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Schliesslich ist dann alles erledigt und die Waggons werden wieder an den Hausbahnsteig rangiert. Dort steht schon der aus 10 Wagen bestehende Inlandsteil Chop – Kiev bereit, an dessen Spitze jetzt noch die beiden internationalen Schlafwagen gereiht werden.
Vor unsere zwei Wagen setzt sich dann noch WL10 1474.

Nachdem wir auch unsere Pässe wiederbekommen kann es losgehen. Pünktlich um 12:35 verlassen wir Chop.
Die Strecke nach Lemberg ist zweigleisig und mit 3 kV Gleichstrom elektrifiziert. Zunächst geht es noch durch die östlichen „Ausläufer“ der ungarischen Tiefebene, bevor die Strecke dann die Karpaten überquert.

Bis Batewo gibt es auch ein Normalspurgleis, die dort abzweigende Strecke nach Solotvino ist bis Korolevo vierschienig ausgebaut, das Nomalspurgleis dient dem Transitverkehr Slowakei – Rumänien (über den Grenzübergang Halmeu).

Für die 266 km von Chop bis L’viv benötigt unser Zug 6 Stunden und 15 Minuten (mit 9 Zwischenhalten), das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 42,6 km/h.
Die Trassierung würde schon ein bisschen mehr hergeben, der Gleiszustand allerdings nicht. Vor ca. 20 Jahren dürfte dieser noch wesentlich besser gewesen sein, damals benötigte z.B. der Zug 15 (Moskva – Budapest) nur 4:45, immerhin 56 km/h (laut MAV-Auslandskursbuch 1985/86).

Wir nähern uns den Karpaten:
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Da es im Schlafwagenabteil ja eine Steckdose gibt, starte ich den Versuch, dort die Akkus meiner Kamera aufzuladen. Zunächst tut sich nichts, doch während des folgenden Aufenthaltes in Volovez bemerke ich beim Vorbeigehen am Schaffnerabteil, dass dort ein mit „220 kB“ (das kyrillische B entspricht einem lateinischen V) beschrifteter Schalter in Aus-Stellung ist. Naja, ich versuche dem Schaffner mein Anliegen verständlich zu machen und siehe da, plötzlich haben wir Strom im Abteil, sodass ich etwas später auch wieder digital fotografieren kann.

10 Minuten Aufenthalt in Volovez:
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Güterzug in Volovez:
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Die nächste Abschnitt bis zum Bahnhof Lavotshne ist von der Trassierung her der reizvollste, zahlreiche Brücken und Tunnels werden passiert. Der Scheiteltunnel ist nur eingleisig.

Leider habe ich von diesem Abschnitt nicht so viele Fotos, da der Schaffner nach Volovez meint, die Klimaanlage einschalten zu müssen. Das bedeutet natürlich, dass man die Fenster nicht mehr aufmachen darf. Ganz habe ich mich nicht daran gehalten, ein paar Fotos sind sich doch ausgegangen.

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An den Brücken ist auffallend, dass es meist für beide Gleise getrennte Brücken gibt. Ich vermute mal, dass die Strecke ursprünglich eingleisig war (was auch an zahlreichen aufgelassenen eingleisigen Tunnelröhren zu erkennen ist), andererseits waren getrennte Brücken in der Sowjetunion aus strategischen Gründen sehr beliebt...

Dieses Bahnhofsgebäude (es müsste sich um den Bahnhof von Grebeniv handeln) könnte auch in Österreich stehen – man merkt an der Architektur, dass diese Gegend seinerzeit zur Monarchie gehört hat...
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Güterwagen im Bahnhof Skole:
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Weitere Impressionen von der Fahrt nach L’vov – die Gegen wird zunehmend flacher:
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17:30 – 17:32: letzter Halt vor L’vov in Stryj:
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Pünktlich um 18:50 kommen wir in Lemberg (L’viv) an. Der Bahnhof ist sehr schön und wurde auch erst vor wenigen Jahren renoviert.

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Mehr zu Lemberg (Strassenbahn, weitere Bahnhofsfotos, Abenteuer Fahrkartenkauf) gibt es dann im zweiten Teil meines Ukraine-Reiseberichts:
http://www.bahnnews-austria.at/forum/vi ... =9314#9314
Zuletzt geändert von Helmut Uttenthaler am Sa Feb 05, 2005 23:29, insgesamt 1-mal geändert.
Bernhard S.
Beiträge: 168
Registriert: Do Aug 29, 2002 17:31

Beitrag von Bernhard S. »

Danke für den bisherigen Reisebericht, die Fotos sind sehr interessant!

LG Bernhard.
Johannes
Beiträge: 793
Registriert: Sa Aug 02, 2003 10:23

Beitrag von Johannes »

Es ist immer eine Freude Deine Reiseberichte zu lesen und anzusehen.

Recht herzlichen Dank und ich freue mich schon auf den (die) weitere(n) Teile!
Wer mit geilen Schienenfahrzeugen
unterwegs sein will, der muss nicht
weit fahren - ITALIEN !!!
Koralm
Beiträge: 168
Registriert: Mo Aug 26, 2002 16:30
Wohnort: Graz

Beitrag von Koralm »

Helmut wie immer Klasse Bilder von Dir.

mfg christian aus Graz
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