Während der Nacht legen wir die 379 Kilometer von Suche-Bator bis Ulan-Bator zurück:
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| Bahnhof | Ankunft | Abfahrt | Zug |
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| Suche-Bator | 22:35| 0:20| D 6CH |
| Darchan | 1:53| 2:20| |
| Dsun-Chara | 4:15| 4:45| |
| Ulan-Bator | 7:35| | |
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Um 6:30 weckt uns die Provodniza auf. Draussen macht sich schon Ulan-Bator, die mongolische Hauptstadt, bemerkbar. Leider zeigt sich Ulan-Bator uns nicht von seiner schönsten Seite: Es regnet in Strömen, der Himmel ist grau in grau und die Industrieanlagen und das Kraftwerk neben der Bahn passen zum Wetter:

Die Abfahrtsverspätung von Suche-Bator haben wir längst eingeholt und so kommen wir pünktlich um 7:35 in Ulan-Bator an:


Kaum angekommen, merken wir auch schon, dass man hier wesentlich besser auf Individualtouristen eingestellt ist als in Russland. Im Bahnhof gibt es eine Tourist-Info, die wir aber gar nicht benötigen weil wir gleich von jemanden vom „UB Guesthouse“ angesprochen und gefragt werden, ob wir eine Unterkunft brauchen. Da dieses Hostel auch im Lonelyplanet empfohlen wird, greifen wir gleich zu und verschwenden keine Zeit mehr mit anderen Angeboten.


Praktisch ist auch, dass der Typ gleich mit einem Kleinbus gekommen ist, sodass er die gewonnene Kundschaft gleich zum Hostel bringen kann. Zuvor wechseln wir bei der Wechselstube am Bahnhof noch ein paar Dollar in mongolische Tögrög. Für 70 USD bekommen wir 80500 MNT:

So sieht das mongolische Geld aus:


Anschliessend fahren wir mit dem erwähnten Kleinbus zum Hostel, wo wir nun schon eine halbe Stunde nach Ankunft am Bahnhof ankommen. Das ist sehr angenehm – ich würde mich im Urlaub ja als sehr unkompliziert bezeichnen, aber was ich absolut nicht mag, ist eine langwierige Unterkunftssuche, noch dazu mit schwerem Rucksack...
Dort angekommen, müssen wir noch ein bisschen warten, bis uns unsere Betten zugeteilt werden. Das Hostel ist im Prinzip eine umgebaute Wohnung und es geht recht familiär zu. Wir bedienen uns in der Küche und frühstücken ordentlich. Es gibt Weissbrot, ein russisches Nutella-Imitat, Marmelade und Kaffe oder Tee. Danach setzen wir uns im „Wohnzimmer“ hin, dort gibt es eine bequeme Couch. Es ist recht viel los, Dutzende Backpacker wie wir und daher gibt es halt die üblichen Diskussionen nach dem woher und wohin. Etliche kommen so wie wir von Russland und wollen nach China oder sind in der umgekehrten Richtung unterwegs. Die wenigsten fahren aber nur von Moskau nach Peking oder umgekehrt sondern haben so wir noch mehr vor (oder schon hinter sich). Manche sind von Thailand über Kambodscha und Vietnam nach China gekommen, manche wollen von China über Tibet irgendwie nach Indien, ein paar Amis auf dem Weg nach Irland, etc. etc – eine lustige Gesellschaft also...
Und einen Zufall kann ich auch noch melden: Veronika trifft hier ein Mädchen aus Deutschland, mit dem sie vor vier Wochen gemeinsam einen Sprachkurs in Odessa gemacht hat. Veronika hat zwar gewusst, dass sie nach dem Kurs auch Richtung China unterwegs ist, aber dass die beiden sich hier, im UB Guesthouse, 8000 Bahnkilometer von Odessa entfernt, noch mal treffen würden, hatten sie nicht geplant bzw. geahnt....
Wir nutzen die Zeit auch noch, um ein Programm für die nächsten Tage festzulegen. Wir wollen nämlich auch was vom Land sehen. Die Leute vom UB Guesthouse organisieren für uns eine dreitägige Autofahrt in Richtung Westen, u.a. zur buddhistischen Klosteranlage Erdeni Cu. Das klingt vielversprechend und es kostet auch nicht viel: Umgerechnet 45 Euro pro Person für drei Tage, inklusive Fahrer und 2 Übernachtungen.
Nachdem wir dann unsere Betten (verteilt auf zwei 4er-Zimmer mit je 2 Stockbetten) bekommen haben und unser Zeug dort deponiert haben, beginnen wir mit der Erkundung von Ulan-Bator. Priorität hat das Abholen der Fahrkarten nach Peking, die hier irgendwo hinterlegt sein sollen. Dazu haben wir einen Ausdruck eines E-Mails, das Alexanders (mein Bekannter in Moskau) Partnerreisebüro in den Niederlanden an Alexander geschickt hat. Darin steht, dass wir die Fahrkarten bei deren Partneragentur in Ulan-Bator abholen können:
Gardi Travel, contactperson: Mr. Bolor Bayarbaatar, Zaluuchuud Avenue 20, Khatan Suikh Center, 3rd floor, Ulaan Baatar, MO.
Eine Telefonnummer ist auch noch angegeben. Auf dem Stadtplan, den wir schon am Bahnhof mitgenommen haben, finden wir die Strasse und machen uns beschirmterweise auf den Weg dorthin, um die Hausnummer zu suchen. Wir finden schliesslich das Haus und sogar einen Eingang und irgendwann den richtigen Stock und eine Tür mit der Aufschrift „Gardi Travel“ – nichts wie hinein!
Hinter der Tür sitzt dann eine Art Sekretärin, die aber mit unserem E-Mail-Ausdruck nicht viel anfangen kann und nach einem Voucher fragt (das alles in holprigem Englisch, aber wesentlich besser als unser Mongolisch...). Sie sucht dann in den zur Abholung bereitliegenden Fahrkarten, dort ist auch nichts. Dann verschwindet sie und nach einigen Minuten kommt sie dann doch mit unseren Fahrkarten wieder zurück. Erleichterung!
MTZ-Kuvert und die Buchfahrkarte:

Nochmal das Kuvert:


Bettkarte:

Bettkartenquittung:

Fahrkarte:

Mittlerweile macht sich Hunger bemerkbar und so suchen wir ein Fastfood-Restaurant in der gleichen Strasse auf.
Danach ziehen wir ein knappes Sightseeing-Programm durch.
Suche-Bator-Platz (Süch Baatar Platz):

Strassenwegweiser:

Ich bin mir nicht mehr sicher, aber ich glaube, das müsste das Gandan-Kloster sein:


Irgendwie ist Sightseeing bei so einem Wetter aber nur mässig lustig, weshalb wir es vorerst bleiben lassen. Wir teilen uns auf: Doreen, Veronika und Florian wollen ein bisschen „shoppen“, Anja möchte sich doch noch ein anderes Kloster (oder irgendwas in der Art) ausserhalb der Stadt anschauen und mich zieht es in Richtung Bahnhof...
Bei so einer gemischten Reisegruppe ist es wichtig, dass man nicht zwangsläufig alles gemeinsam machen muss, sondern dass jeder bei Bedarf sein eigenes Programm durchziehen kann. Das hat bei uns dann auch in weiterer Folge immer sehr gut geklappt, so dass wir nie lange Diskussionen über unsere Aktivitätenplanung hatten. Und vieles haben wir ohnehin gemeinsam gemacht.
Ich mache mich also durch den etwas nachlassenden Regen auf den Weg zum Bahnhof, wo mir auch dieses Werbeplakat der Mongolischen Eisenbahn unterkommt:

Der Bahnhofsvorplatz:

Neben dem Hausbahnsteig gibt es noch einen Inselbahnsteig. Am Hausbahnsteig steht ein langer Inlandsschnellzug von Erdenet nach Dzhamyn Uud. Die mongolische Eisenbahn ist eigentlich eine ziemlich „sowjetische“ Eisenbahn, Fahrzeuge und Sicherungstechnik sind die gleichen, die meisten Anschriften sind auf russisch. Das ist allerdings klar, denn die Transmongolische Eisenbahn wurde ja in den 1950er-Jahren quasi von den Sowjets gebaut. Davor gab es in der Mongolei keine Eisenbahn.
Eine Karte der Transmongolischen Eisenbahn samt Stichstrecken:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Trans ... enbahn.jpg
Im Nordosten der Mongolei gibt es noch ein davon isoliertes „Netz“:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Netz_Tschoibalsan.jpg
Aber zurück zum Zug auf Bahnsteig 1 – der Speisewagen mit russischer Beschriftung:

Zuglaufschild (UB steht für Ulan Bator bzw. Ulaanbaatar):

Der Zug vom Bahnsteig zwei aus gesehen:

Nochmal der Speisewagen:

Der Inselbahnsteig scheint recht neu zu sein:

Auf Gleis 2 steht ein Schnellzug nach Zuun Charaa:




Hier noch mal der Zug nach Dzhamyn Uud:

Der Zug besteht insgesamt aus 22 oder 23 Waggons. Gezogen wird er von einer 2M62:


Abseits der Bahnsteiggleise sind diese Verschublok und etliche Güterwagen zu sehen:


Dieser Güterwagen sieht aus, als hätten die Mongolischen Eisenbahnen ihn gebraucht von der Litauischen Eisenbahn gekauft, das Logo links oben deutet darauf hin.

Noch schnell drei Photos vom Bahnhofsgebäude:



Nachher spaziere ich zurück zum Hostel. Vor dem „State Department Store“...

... fotografiere ich dann noch schnell eine lebende Telefonzelle:

Hier kann man gegen Entgelt über ein Schnurlostelefon telefonieren. Solche „Privat-Telefonzellen“ habe ich hier in UB zuhauf gesehen.
Nach einem kurzen Besuch in einem Internetcafe unweit des Hostels treffe ich meine Freunde wieder.
Den Abend verbringen wir nicht im Hostel, wir spazieren auf der Suche nach einem netten Lokal ein bisschen durch UB. Wir testen aber nicht das nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraute Chinggis-Bier...

...sondern wollen ausprobieren, ob das hiesige Cafe „Sacher“ mit einem österreichischen Kaffeehaus mithalten kann. Die beiden österreichischen Reiseteilnehmer vor dem Cafe Sacher:

Es ist dann auch ganz nett, und die Sachertorte schmeckt auch fast wie daheim:

Mit diesem Stück österreichischer Kaffeehauskultur fernab der Heimat endet der heutige Tag und somit dieser Teil des Reiseberichtes.
Der nächste Teil ist dann wieder eisenbahnfrei, es geht mit einem UAZ in die mongolische Provinz!