Land NÖ übernimmt die Verantwortung für seine Regionalbahnen und kehrt damit zur Tradition zurück, ein eigenes Eisenbahn-Unternehmen zu gründen
Gründung einer Landesbahn ist positiv zu sehen
· Land NÖ braucht innovative Gesamtmobilitätskonzepte für Bahn und Bus in den Regionen
· Gesamtmobilitätskonzept der Ybbstalbahn ist Vorbild für andere Regionalbahnen
· Bund stiehlt sich mit einem Freikauf aus der Verantwortung
· Gravierender Imageschaden für den Dienstleister ÖBB
· Land NÖ muss Bundesbeitrag in Verhandlungen nachbessern – Vertrag von Gösing ist einzuhalten
Das Land NÖ scheint die Verantwortung für seine Regionalbahnen wahrnehmen zu wollen, indem es sich mit dem Bund auf eine Übernahme sowohl der Schmalspurbahnen als auch einiger Normalspurbahnen grundsätzlich geeinigt hat. Die Ankündigung, eine niederösterreichische Landesbahn-Gesellschaft gründen zu wollen, die auch als Betreiber der Regionalbahnen auftritt, ist ebenfalls positiv zu sehen. Damit kehrt NÖ zu seiner Tradition, ein eigenes Eisenbahnunternehmen zu haben, zurück. Die Errichtung z.B. der Mariazellerbahn im Jahr 1895 wäre ohne eine eigene Landesbahn unmöglich gewesen. Erst die Wirtschaftskrise bewog das Land 1922 die Mariazellerbahn an die ÖBB abzutreten, die ihrer Betreiberrolle nie gerecht wurden. Es ist zu hoffen, dass das Land NÖ dieser Rolle gerecht wird und sich ihrer Pioniere besinnt, wie z.B. des Direktors der NÖ Landesbahn Josef Fogowitz, der schon Planungen für die Verbindung von Mariazellerbahn zur Ybbstalbahn in der Schublade hatte. NÖ ist auch die Realisierung der Strecke Wien-Pressburg als erste RegionalStadtbahn zu verdanken.
Um wiederum erfolgreich zu sein, muss das Land jedoch nun einiges anders machen. Entscheidend für eine erfolgreiche Landesbahn-Gesellschaft wird sein, ob das Land NÖ nachhaltige Gesamtmobilitätskonzepte Bahn & Bus entwickelt, die den Bestand aller Regionalbahnen – auch der Schmalspurbahnen – sichern. Keinesfalls darf es zu einem Ausspielen der Bahnen untereinander kommen.
Dabei kann sich das Land durchaus auf das von der Ybbstalbahn Entwicklungsgenossenschaft (YEG) erstellte Gesamtmobilitätskonzept für Bahn und Bus im Ybbstal stützen und dies als Modell betrachten. Für den wirtschaftlichen Erfolg von Regionalbahnen ist u.a. ein Regelbetrieb von Montag bis Sonntag notwendig, weil jede Bahn neben den Standbeinen Schüler- und Pendlerverkehre auch die Einnahmen und Akzeptanz aus Freizeit-, Tourismus- und Güterverkehr braucht, so diese darstellbar sind. Öffentliche Schüler- und Werksverkehre von Montag bis Freitag werden auf Dauer zu wenig sein. Probahn ÖSTERREICH sowie die YEG bieten dabei dem Land die Zusammenarbeit an. Keinesfalls darf es zu einem Ausspielen der Bahnen
Die Haltung des Bundes ist allerdings wenig zukunftsorientiert! Es sieht eher nach einem Freikaufen und damit nach einem Aus-der-Verantwortung-Stehlen aus. Mit diesem Vertrag gibt die Verkehrsministerin zudem ihre verkehrspolitische Handlungsfähigkeit für zumindest die Schmalspurbahnen vollständig ab.
Auch die Nichterfüllung des Vertrages von Gösing durch die ÖBB blieb außer Betracht. Die darin getroffene Vereinbarung, die Schmalspurbahn-Infrastruktur (Mariaellerbahn, Ybbstalbahn, Waldviertler Bahnen) zu erhalten, erfolgte ungenügend. Die Beseitigung der Langsamfahrstellen durch die ÖBB bis zur Übergabe 2011, z.B. bei der Ybbstalbahn, muss NÖ noch einfordern. 50 Mio. Euro Abfindung der ÖBB für alle deren Unterlassungen sowie der Bundesanteil von 45 Mio. Euro für 50% der Erhaltung aller abgetretenen Regionalbahnen über 20 Jahre muss da als äußerst bescheiden bezeichnet werden.
Auch die Rolle der ÖBB muss kritisch gesehen werden, hat sie es doch verabsäumt, in den letzten Jahren die Regionalbahnen ordnungsgemäß zu erhalten und zu betreiben. Letztlich stellt dieses Vorgehen eine Bankrotterklärung für die Unternehmensstrategie der ÖBB als modernes Dienstleistungsunternehmen dar. Dieser Imageschaden, der auch unternehmensintern für Kopfschütteln sorgt, wird zu weiteren Konflikten zwischen den Ländern und den ÖBB führen und die Länder bewegen, eigene Landesbahnen zu gründen. Die Frage wird sich stellen, wo bleiben dann die ÖBB?
Für Probahn ÖSTERREICH
Peter Haibach
www.probahn.at
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